Vor drei Monaten, am 15. Dezember 2021, verstarb mit bell hooks eine der für mich wichtigsten Schwarzen Schriftstellerinnen und Lehrerinnen des afroamerikanischen antirassistischen Feminismus. bell hooks zu lesen ist für mich immer wieder eine Herausforderung. Ihre Texte scheinen im ersten Augenblick einfach zugänglich zu sein, sind aber eher komplex. Wenn ich ihre Schriften lese, habe ich oft das Gefühl, als Reaktion auf die Ideen, die sie teilt, einen internen Dialog mit ihr zu führen, und manchmal streiten wir auch. Und das ist nur einer der Aspekte, die mich an ihrer Arbeit faszinieren: Sie teilt ihre Ideen auf eine persönliche Art und Weise und fordert mich damit als Leserin auf, dass ich mich ebenfalls nicht nur auf intellektueller, sondern auf einer ganz persönlichen Ebene mit ihren Ideen auseinandersetze.
Wenn ich hooks lese, fühle ich mich an einigen Stellen angenehm berührt und an anderen äusserst unwohl. Letztlich aber hinterlassen ihre Worte bei mir immer das Gefühl, Verantwortung übernehmen zu wollen: dafür, dass die Art und Weise, wie ich die Welt wahrnehme, in Frage gestellt werden darf. Für mich heisst das, erkennen zu müssen, dass ich Teil eines sich stets entwickelnden Systems bin und dass ich deswegen zur kritischen Selbstreflexion aufgefordert bin.
Gloria Jean Watkins, so bell hooks’ bürgerlicher Name, verbrachte ihre Grundschulzeit in den segregierten Schulen des US-amerikanischen Südens, wo sie davon träumte, Schriftstellerin und Lehrerin zu werden. Innerhalb dieser Räume, wo Schwarze Menschen systematisch von weissen getrennt wurden und in denen das Recht auf Bildung sozial ungleich verteilt war, erlebte sie das Lernen zunächst als politisch und revolutionär. Später erzählt sie, dass sie während ihrer Jugendzeit zu begreifen begann, dass Unterschiede in der Bildung eine der stärksten innerlich wirkenden sozialen Schranken sind und dass die Segregation diese Unterschiede einerseits aufrechterhielt und anderseits verschärfte. Bis an ihr Lebensende verfasste sie antirassistische, kapitalismuskritische und feministische Texte rund um die Themen race, Geschlecht und Klasse. Ihr Pseudonym, «bell hooks», war der Name ihrer indigenen Grossmutter, den sie bei der Veröffentlichung ihrer Texte konsequent in Kleinschreibung gebrauchte, um ihren Widerstand gegen die (akademischen) Konventionen auch im Feld der Sprache zum Ausdruck zu bringen.
Lange bevor ich hooks’ Texte kennenlernte, glaubte ich fest an Bildung als eines der wirkungsvollsten Instrumente für sozialen Wandel, die wir als Gesellschaft haben. In ihrem Buch Teaching to Transgress stellt hooks ihre Theorie der «engagierten Pädagogik» vor. Diese schlägt vor, unter Lehrenden und Lernenden eine ermächtigende (empowernde) Verbindung zwischen den im Klassenzimmer und den durch Lebenserfahrungen gelernten Ideen aufzubauen. Dabei sollen die Selbstverwirklichung und die Optimierung der einzelnen Person in den Hintergrund treten. Diese Art der Vermittlung führt zu Erziehung als einer Praxis der Freiheit, die sich vom Status quo löst, wo die Pädagogik Dominanz und Hierarchien verstärkt. Beim Lehren (und Lernen) durch engagierte Pädagogik sollen wir gemäss hooks zu einer Revolution der Werte bewegt werden, die unsere Kultur weg von einer sachorientierten hin zu einer personorientierten Gesellschaft verschieben würde. Mit dieser Verschiebung würde ein Bewusstsein für die Nachteile kultureller Praktiken einhergehen, wie die Privilegierung einer Menschengruppe gegenüber einer anderen. hooks stellt fest:
«Das Klassenzimmer bleibt mit all seinen Beschränkungen ein Ort der Möglichkeit. In diesem Bereich der Möglichkeiten haben wir die Option, uns Freiheit zu erarbeiten und von uns selbst und unseren Kamerad*innen eine Offenheit des Geistes und des Herzens zu verlangen, die es uns ermöglicht, der Realität ins Auge zu sehen, selbst dann, wenn wir gemeinsam Wege suchen, um Grenzen zu überwinden. Das ist Erziehung als Praxis der Freiheit.»1