Neue Wege 12.20: Beim Namen nennen

Redaktion Neue Wege, 23. November 2020
Neue Wege 12.20

Sprache prägt unser Denken, unser Handeln, unser Sein. Die Autorin und Aktivistin Kübra Gümüşay setzt sich intensiv damit auseinander, was benannt-werden und benennen bedeuten: Wer gehört zu den benannten Menschen? Welche Benennungen engen ein? Wie kann eine Sprache gefunden werden, die Machtverhältnisse benennt, Menschen aber nicht auf Kategorien reduziert? Im Gespräch mit den Neuen Wegen zeigt sich der religiöse Hintergrund der Aktivistin: «Religion kann auch Motivation sein, sich für eine bessere Welt einzusetzen.» Sie plädiert für ein Sprechen in Demut, welches die Begrenztheit der eigenen Perspektive nicht vergisst.

Nicht vergessen – das ist das Anliegen der Philosophin Melanie Altanian. Sie forscht zur systematischen Leugnung des Genozids an Armenier*innen. Die Nachwirkungen des Genozids prägen die Nachfolgegenerationen von Armenier*innen bis heute. Ein präzises Benennen der historischen Ereignisse ist für sie existenziell. Nicht immer fällt es leicht, passende Begriffe zu finden.

Das weiss auch Ines-Paul Baumann gut: Ines-Paul Baumann ist Pastor*in mit nichtbinärer Geschlechtsidentität. Der eigene Name wird im sozialen Geschehen immer wieder zum Stolperstein. Es ist hilfreich und herausfordernd zugleich, dass sich in der Bibel viele Beispiele für nichtbinäre Geschlechterentwürfe finden: Identitäten, die weder ausschliesslich männlich, noch weiblich sind, oder die Geschlecht als vielschichtig und komplex zeigen.
 
Die Theologin Magdalene Frettlöh ist dem Versprechen auf namhafte Auferweckung auf der Spur. Was bedeutet das: beim Namen gerufen sein? Und welche Wirkung hat die Hoffnung auf Auferweckung im täglichen Leben?

Die Weihnachtszeit, die diese christliche Hoffnung in sich trägt, wir dieses Jahr für viele ungewohnt und anders ausfallen. Dass der Heiligabend das Gewohnte durchbrechen kann, davon spricht auch die Graphic Novel Sibiro Haiku von Jurga Vilė und Lina Itagaki, aus der die Bilder im Heft stammen. Die litauische Autorin Jurga Vilė und die Illustratorin Lina Itagaki erzählen von der Deportation angeblicher «Staatsfeinde» während der Besetzung baltischer Staaten durch Stalin im Jahr 1941. Mit eindrücklichen Bildern benennt die Graphic Novel Unmenschliches: Endstation für die verschleppten Menschen ist ein Lager in Sibirien, der Hunger ist gross, die Winter bitter, und die Tage gleichen sich – nur der Heiligabend stellt eine Zäsur dar.

 

Inhalt

Eine Kultur der Demut
Neue Wege-Gespräch mit Kübra Gümüşay

Verwegene Hoffnung auf namhafte Auferweckung
Magdalene L. Frettlöh

Bei welchem Namen rufst du mich, Gott?
Ines-Paul Baumann

Genozid benennen
Melanie Altanian

Anstoss!: Warum der Afrofuturismus existieren muss
Yania B. Garcia

Nicht nur das Klima, das Leben selbst ist in der Krise
Nora Räthzel

Gefühlsduselei: Gewalt beim Namen nennen
Geneva Moser

Lesen
Franz Segbers, Ulrich Duchrow

Nadelöhr: Kirchenverantwortungsinitiative
Matthias Hui


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