Traktanden für Alain und Franziskus

Matthias Hui, 13. Juni 2018
Neue Wege 6/2018

Bundespräsident Alain Berset und Papst Franziskus werden sich am 21. Juni in Genf für einen Moment zusammensetzen. Hier sind drei Vorschläge, was dringend zu beraten wäre. Erster Punkt auf der Traktandenliste der Männerrunde muss die Geschlechterfrage sein. Eine Religionsgemeinschaft, die Frauen den Zugang zum Priesteramt verwehrt, die die Vielfalt der Geschlechter und der sexuellen Orientierungen nicht akzeptiert und Menschen dementsprechend systematisch diskriminiert, eine Organisation, die sexuelle Missbräuche nicht schonungslos aufdeckt und geschiedene Menschen ausgrenzt, muss Probleme bekommen. Vom Bundespräsidenten kann hier undiplomatischer Klartext erwartet werden. Der säkulare Staat gewährleistet Religionsfreiheit. Aber er muss im eigenen Interesse dafür sorgen, dass über Religionsgemeinschaften, ihre Inhalte und Organisationsstrukturen öffentlich diskutiert wird – wenigstens dies könnte uns die leidige Islamdebatte zeigen. Menschenrechte, Frauenrechte haben so wie in Moscheen auch in Unternehmen, in unseren Beziehungen und selbstverständlich in Kirchen zu gelten. Die unmissverständliche Vertretung dieser Position stärkt jene, die auch innerhalb der Religionsgemeinschaften für Frauen- und Menschenrechte kämpfen. Dazu zählt – zögerlich – der Papst: Er hat Maria Magdalena den zwölf Aposteln gleichgestellt oder erstmals Frauen zu Beraterinnen der Glaubenskongregation ernannt. Aber seine Aussagen im Apostolischen Schreiben Amoris Laetitia zum sogenannten Genderismus bleiben absurd und frauenfeindlich. Franziskus könnte den Ball aufnehmen – als Stärkung seiner Position gegenüber den reaktionären Kräften der Kurie und der Kirche – und zurückspielen: «Herr Berset, gerade in Genf zeigen UNO-Menschenrechtsberichte auf, dass Ihr Land in sehr vielen Feldern der Gleichstellung längst nicht dort ist, wo die Welt es erwartet.»

Die globale Wirtschaft muss das zweite Traktandum sein in Genf. In dieser Region wird ein Drittel des Erdöls oder des Getreides, die Hälfte des Kaffees und des Zuckers der Welt gehandelt. Papst Franziskus kann wiederholen, was er beim Welttreffen der Sozialen Bewegungen 2015 in Bolivien ausdrückte: «Sagen wir es unerschrocken: Wir wollen eine Veränderung, eine Veränderung der Strukturen. Dieses System ist nicht mehr hinzunehmen. (…) Wenn das Kapital sich in einen Götzen verwandelt und die Optionen der Menschen bestimmt, wenn die Geldgier das ganze sozioökonomische System bevormundet, zerrüttet es die Gesellschaft, verwirft es den Menschen, macht ihn zum Sklaven, zerstört die Brüderlichkeit unter den Menschen, bringt Völker gegeneinander auf und gefährdet – wie wir sehen – unser gemeinsames Haus, die Schwester und Mutter Erde.» Franziskus muss die Konzernverantwortungsinitiative beim Namen nennen: als realpolitisches Zeichen – mit einer Bedeutung über die Schweiz hinaus –, das selbstverständlich auch von den Kirchen unterstützt werden muss.

Das dritte drängende Thema ist der Iran. Die Lunte brennt. Die beiden Männer können ihr Treffen unmittelbar nutzen, um gemeinsam auf die Weltbühne zu steigen. Sie müssen unter Einsatz ihres persönlichen Renommees und des Potenzials der Schweiz wie der Katholischen Kirche und des gastgebenden Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf alle Kräfte mobilisieren, um in dieser Region eine weitere Explosion zu verhindern. Sie sollten zusammen sofort bei den Scharfmachern in Washington, Jerusalem und Teheran vorsprechen, alle gemeinsam verfügbaren MediatorInnen und DiplomatInnen zur Verfügung stellen, ein scharfes Nein gegen Krieg, konventionelle und atomare Aufrüstung aussprechen und den gebeutelten Menschen in der Region zeigen: Wir überlassen das Feld nicht schon wieder – wie in Syrien – den Herren der Gewalt.

  • Matthias Hui,

    *1962, ist Co-Redaktionsleiter der Neuen Wege, Theologe und Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation humanrights.ch.