Warum die WOZ trotz allem ­ erfolgreich ist

Roman Berger, 24. Juli 2018
Neue Wege 7-8/2018

Als die linke Wochenzeitung (WOZ) 1981 erstmals erschien, gaben ihr nur wenige eine Chance. Die WOZ ist aber immer noch da. Und dies als selbstverwalteter Betrieb, ohne ChefInnen und mit Einheitslohn. Es ist eine Ironie der Geschichte: Fast täglich macht die Medienkrise, die vom Anzeigeneinbruch ausgelöst wurde, Schlagzeilen. Die WOZ jedoch ist als linke Zeitung auch kommerziell ein erfolgreiches Journalismusmodell geworden. Was macht die WOZ anders? Antworten darauf gibt eine Geschichte der Zeitung, die Stefan Howald geschrieben hat: Links und bündig. WOZ Die Wochenzeitung. Eine alternative Mediengeschichte.

Zukunftsfähiges Journalismusmodell

Das Journalismusmodell, das sich die GründerInnen der WOZ ausgedacht hatten, erwies sich in der Medienkrise als zukunftsfähig. Die Zeitung gehört als Genossenschaft nur ihren MitarbeiterInnen. Es gibt also keine Aktionärsinteressen zu bedienen. Und zum anderen ist die WOZ zu rund drei Vierteln von den LeserInnen finanziert und nicht wie die übrigen Print­medien von den Anzeigen abhängig.

Howald, der von 2010 bis 2018 als Genossenschafter und Redaktor der WOZ tätig war, beschreibt aber auch die andere Seite einer genossenschaftlich organisierten Zeitung. Immer wieder kam es zu publizistischen und ideologischen Richtungs- und Machtkämpfen. So wurde zum Beispiel jahrelang gestritten, ob auf der WOZ-­Redaktion Computer angeschafft werden sollten. «Eigentlich ging es in der ganzen Diskussion gar nicht um die Computerfrage», zitiert ­Howald eine Redaktorin. «Es war ein Krieg zwischen zwei Fraktionen, die unterschiedliche politische Anschauungen vertraten.»

Sanfte Leitungsstrukturen

Mehrmals ist die WOZ fast pleitegegangen, wurde aber immer wieder von der Solidarität der LeserInnen aufgefangen. Deshalb ist die Zeitung immer noch da. Das WOZ-Kollektiv musste allerdings auch sanfte Lenkungsstrukturen akzeptieren. Seit 2005 wird die Basisdemokratie von einer Geschäfts- und einer Redaktionsleitung geführt. Dem Frieden zuliebe werden aber nicht einzelne Mitglieder, sondern ganze Gremien gewählt. Zur Zeit besteht das WOZ-Leitungstrio in der Redaktion aus Kaspar Surber, Silvia Süess und Yves Wegelin.

Die WOZ ist mit einer Auf­lage von gegen 17 000 Exemplaren das einzige linke Blatt mit einer überregionalen Resonanz in der Schweiz, in der fast alle grossen Städte links-grün regiert werden. Die Frage drängt sich auf: Warum hat die WOZ nicht eine grössere Auflage? «Die WOZ ist erfolgreich und dennoch ein Nischenprodukt», meint Howald und ist überzeugt: «Von ihrem Anspruch und der politisch prekären Mediensituation her gesehen, könnte, ja müsste sie auflagenmässig erfolgreicher sein.»

«Eine NZZ für die Linke»

Die WOZ hat die vielen alternativen Blätter wie Tell, Leserzeitung oder focus überlebt. Warum?

Darauf antwortet Howald: «Für die WOZ-MacherInnen war von Anfang an klar: Ihre Zeitung wird ein professionelles Blatt werden.» Res Strehle, der in einem grossbürgerlichen Milieu am Zürichberg aufgewachsen ist und als Mitbegründer der WOZ die linke Zeitung wesentlich geprägt hat, forderte noch mehr: Die WOZ müsse eine «hochklassige Zeitung für eine Elite, eine NZZ für die Linke sein». Howald vermutet aber, dass die WOZ mit Strehles «radikaler De-Luxe-­Variante» wohl nicht bis heute überlebt hätte.

Links und bündig: Eine alternative Mediengeschichte verspricht Stefan Howalds Buch. Die WOZ-Geschichte, so glauben solidarisch-kritische Stimmen, hätte ruhig etwas frecher und kontroverser erzählt werden können. Das 350 Seiten starke Buch ist aber sicher ein seriöses Nachschlagewerk. So erfährt man, dass eine LeserInnenumfrage im Jahr 2010 verblüffende Resultate erbracht hatte: Rund ein Viertel der WOZ-LeserInnen verdiente damals mehr als 10 000 Franken pro Monat.

Das Überleben der WOZ zeigt: Das Kollektiv und das Projekt einer linken Zeitung waren stärker als die immer wiederkehrenden Krisen. Und die Schweiz hat eine alternative Perspektive in einer zunehmend gleichförmigen Medienlandschaft dringend notwendig.

Stefan Howald: Links und ­bündig. WOZ Die Wochen­zeitung. Eine ­alternative Medien­geschichte. ­ Rotpunktverlag, Zürich 2018, 360 Seiten.

  • Roman Berger,

    1940, Journalist, war Korrespondent des Tages-Anzeigers in Washington (1976–1982) und Moskau (1991–2001). Er ist Mitglied der ­Redaktion der Neuen Wege.