Nur der andere Weg führt zum Ziele. Die Sache muss uns von innen her ergreifen. Sie muss wir selbst werden, unser Schicksal, unser Leben, bis zu jener höchsten Form: «So lebe nun nicht mehr ich, sondern Christus lebet in mir!» Die Friedenssache muss bei uns aus einer Friedensnotwendigkeit kommen, die – trotz allem andern – wirklich in uns ist, der Sozialismus aus einer Gemeinschaftssehnsucht und einem Gemeinschaftsgewissen, die – trotz allem andern – wirklich in uns leben, das Bekenntnis zu Gott und Christus aus einem Verlangen nach Gott, einer Erkenntnis der Wahrheit Christi, die – trotz allem andern – wirklich in unserer Seele wohnen und sprechen: «Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben», und: «Herr, du weisst alle Dinge, du weisst, dass ich dich lieb habe.» Wenn das so ist, dann geschieht wieder etwas von selbst: dann kommt aus dem, was wirklich in uns ist, von selbst etwas von Friedensgeist, von selbst etwas von Sozialismus des Lebens, von selbst etwas von Kraft der Weltüberwindung und etwas vom Licht Christi. Diesen Weg müssen wir gehen.
Es ist durchaus nötig, dass eine Sache in ihren Trägern durch den Alltag gerechtfertigt werde. Es darf nicht bei den Begeisterungen gehobener Stunden bleiben. Solche Sonntage und Hochzeiten der Seele haben auch ihr Recht, aber sie müssen im Werktag und Alltag aus Blüten zu Früchten werden. Wenn sie das nicht tun, waren sie dann echt? Schöne Zusammenkünfte, wo die Idee als edle Flamme aufloderte, die Sache in Verklärung dastand, der Zauber der Gemeinschaft (der von ihrem Segen und Wunder zu unterscheiden ist), die Seelen belebte, Anhörung tiefer und wahrer Reden, Versenkung in die Bibel, alles muss zu Alltag werden, sonst wird es zu Schein und Trug und auch ein Hohn der Andern. Auch die Sache selbst wird unglaubhaft, wenn man sie nicht lebt. Und zwar im Alltag.
Das ist eben das Schwerste. Aussergewöhnliche Dinge kann man in irgend einem Hochschwung des Gemütes tun, aber der Alltag: all die kleinen, unbedeutenden, langweiligen Dinge! Und doch: gerade der Alltag ist entscheidend. Es ist Gottes Ordnung: im Kleinsten erkennt man das Grösste, im Kleinsten muss das Grösste sich bewähren. «Was ihr an einem der Geringsten unter meinen Brüdern getan [oder nicht getan] habt, das habt ihr mir getan [oder nicht getan].» Friedensgesinnung, Sozialismus, Gottes- und Christusglaube sind erst als echt bewährt, wenn sie im Kleinsten sichtbar werden, wenn der Alltag sie zeigt. Dann erst werden sie zum Wunder. Dann preist man darob den Vater im Himmel. Dann wird das Gewissen der Menschen erregt, dann wird vielleicht ihr Widerspruch, aber auch die Freude an Gott in ihnen erweckt. Es ist, liebe Freunde, nötig, bitter nötig, entscheidend nötig, aber es ist auch möglich, in voller Wahrhaftigkeit, Lebendigkeit und Demut möglich, dass wir uns unter das Wort stellen: «An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.» (Matth. 7,16)